„Auf der Suche nach immer neuen Formen…“. Lea Susemichel, koordinierende Redakeurin der feministischen Monatszeitschrift an.schläge und Co-Produzentin von an.schläge-TV, traf sich im Februar 2010 zu einem Gespräch mit Rosa Reitsamer.
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Lea, kannst du dich bitte kurz vorstellen?
Ich bin Lea Susemichel und arbeite seit ca. acht Jahren beim feministischen Magazin an.schläge http://www.anschlaege.at. Ich war lange Zeit freie Redakteurin, die letzten dreieinhalb Jahre war ich, gemeinsam mit Saskya Rudigier, später mit Vina Yun, die koordinierende Redakteurin des Magazins.
Wie bist du zum Feminismus gekommen?
Ganz grundsätzlich wohl schon dadurch, dass ich in einem 68er-Haushalb groß geworden bin. Meine Mutter war Feministin, eine andere Feministin als ich es bin, aber durchaus eine, und ich bin in WGs mit feministisch gesinnten Frauen groß geworden. Das war mal die erste, wahrscheinlich prägendste Initiation. Und dann im Zuge meiner grundsätzlichen Politisierung, als ich als Jugendliche in linke Zusammenhänge kam. In autonomen Zentren bin ich dann erstmals auch in feministische Frauengruppen geraten und wurde explizit mit feministischer Theoriebildung und politisch-feministischen Forderungen konfrontiert.
Wie bist du zum Schreiben und Publizieren gekommen?
Eigentlich erst während des Philosophie-Studiums. Ich hab lange Zeit als Texterin gearbeitet, um parallel zum Studium Geld zu verdienen und dann kamen auch schon bald die an.schläge.
Kannst du bitte etwas über die Organisationsweise der an.schläge und die Finanzierung sagen?
Das Magazin an.schläge gibt es ja mittlerweile schon knapp 27 Jahre, wobei die Grundstruktur heute nicht viel anders ist als in der Gründungsphase. Es gibt ein Redaktionskollektiv, in dem sich über die Jahre natürlich die Personen geändert haben. Die Fluktuation ist aufgrund der Arbeitsbelastung relativ groß, es kommen immer wieder neue Frauen hinzu und andere gehen, sodass es im Verlauf der Jahre unterschiedliche Teams gab.
Im Jahr 1991 musste die Produktion des Magazins leider für einen kurzen Zeitraum eingestellt werden, weil es keine Förderungen gab und keine Frau kontinuierlich bezahlt werden konnte. 1994 wurden die an.schläge dann wieder neu gegründet und seither gab es zumindest Geld für die koordinierende Redaktion und die Grafik. Es konnten bald zwei, mitunter sogar drei (halbe) Stellen eingerichtet werden - bis zum Regierungswechsel Schwarz-Blau, als mit einem Schlag die Subventionen von Bundesseite vollkommen wegfielen. Dann wurde es wieder sehr prekär.
Als du koordinierende Redakteurin geworden bist, welche Themen waren dir wichtig einzubringen?
Eine Ebene war sicher die Layout- und Grafikebene, weil ich neben der Koordination auch die Grafik gemacht habe. Wir haben begonnen, uns mehr über Bildpolitik Gedanken zu machen, also mit der Frage, wie Form und Inhalt zusammenhängen. Das hatte auch damit zu tun, dass wir damals auch mit an.schläge-TV anfingen. Wir haben uns viel mit formalen Strategien und der Bildebene beschäftigt und das hat sich auch im Heft niedergeschlagen.
Dann denke ich, dass mir ganz allgemein queere Positionen wichtig sind, die für mich vorher in den an.schlägen auf inhaltlicher Ebene zu wenig präsent waren. Antirassistische Positionen sind zudem ganz wichtig, also dass es eine post-koloniale Perspektive gibt.
Wann wurde das Magazin an.schläge um an.schläge-TV ergänzt?
Wir haben gleich mit dem Start von OKTO TV (http://okto.tv/) im Jahr 2005 begonnen.
Wir hatten uns damals mit feministischen medialen Strategien auseinandergesetzt und waren etwa von der Gruppe Mujeros Creando (http://okto.tv/anschlaege/mujeres-creando/) sehr beeindruckt, die mit einem feministischen Medien-Mix arbeiten. Sie setzen verschiedene mediale Mittel ein, d.h. sie produzieren Texte für Bücher und Zeitschriften, aber gehen auch auf die Straße, sprühen Graffiti, machen Straßenperformances und Videos und gehen ins Fernsehen.
Unsere Grundidee war, dass wir versuchen, verschiedenste mediale Mittel zu nutzen und auszuprobieren, um zu erkennen, welche spezifischen Möglichkeiten das jeweilige Medium bietet. Wir starteten mit einer Serie, in der wir feministische Filmmacherinnen und -theoretikerinnen gefragt haben, wie feministisches Fernsehen aussehen könnte und sollte.
Fernsehen war außerdem einfach spannend und ursprünglich gab es natürlich auch die Überlegung, dass es ein niedrigschwelliges Medium ist und Leute, die noch nichts mit Feminismus zu tun hatten, vielleicht beim Zappen eher bei einer feministischen Sendung hängenbleiben, als dass sie sich eine feministische Zeitschrift kaufen. Es gibt dieses schöne Zitat von den Mujeros Creando, dass sie das Fernsehen wie eine Straße betrachten und auch das Fernsehen ein öffentlicher Ort ist, der eben besetzt und vereinnahmt werden muss. Die Idee war also zu versuchen, überall hin vorzudringen.
Habt ihre einen thematischen Schwerpunkt bei an.schläge-TV?
Wir haben unterschiedliche Rubriken: „an.sehen“ präsentiert bspw. feministische Künstlerinnen bzw. alles, was unserer Meinung nach an Ansehen gewinnen soll. „an.sturm“ zeigt feministische Interventionen im öffentlichen Raum, „an.beraumt“ sind feministische Veranstaltungen und Aktionen, die gerade stattfinden und „an.probe“ ist ein Forum für feministische Filmemacherinnen, die ihre Arbeiten präsentieren möchten.
Wie würdest du das feministische Selbstverständnis der an.schläge beschreiben?
Dadurch, dass es ein Kollektiv ist, dem Frauen unterschiedlicher Generationen angehören, ist es sehr heterogen, und Versuche, ein Selbstverständnis zu definieren, haben sich als sehr mühsam erwiesen, weil es schwer ist, das auf eine Linie zu bringen. Wir sind letztlich dazu übergegangen, das als Stärke anzuerkennen und zu sagen, dass wir in Österreich die einzige Zeitung sind, die monatlich erscheint und die einen Nachrichtenmagazin-Charakter hat, und es deswegen auch gut ist, wenn unterschiedliche Feminismen abgedeckt und verschiedene Zielgruppen innerhalb der feministischen Community angesprochen werden. Das darf aber, zumindest für mich, nicht heißen, dass man deshalb beliebig wird und alle Positionen unwidersprochen stehen lässt. Dadurch, dass es ein Magazin ist, das aus unterschiedlichen Frauen mit unterschiedlichen Kontakten und unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten besteht, ist es nicht möglich, dass thematisch nur noch ganz spezifische Dinge vorkommen und andere überhaupt nicht mehr.
Gibt es inhaltliche Unterschiede zwischen an.schläge Magazin und an.schläge-TV?
Ja, weil wir das Fernsehen so lange zu zweit gemacht haben, wodurch sich dann unweigerlich einstellt, dass du mehr deinen Präferenzen folgst. Rückblickend kann ich sagen, dass wir viel mehr Kulturthemen im weitesten Sinn gebracht haben, was auch damit zutun hat, dass sie telegener sind und das natürlich reizvoller und attraktiver zum Anschauen ist.
Wir würdest du die an.schläge in einem breiteren feministischen Kontext positionieren?
Das ist schwer zu sagen, dafür bräuchte ich wirklich die Außenwahrnehmung. Uns war es immer ein Anliegen, ein Sammelbecken für unterschiedlichste feministische Communities innerhalb der feministischen Szene zu sein. Das ist einerseits eine programmatische Entscheidung, letzlich aber auch eine ganz pragmatische: Es wäre der Todesstoß für das Medium, wenn wir nur noch eine bestimmte Szene und ihre Interessen fokussierten. Wir könnten schlicht nicht überleben, wenn wir nicht eine gewisse Anzahl von Leser_innen hätten. Das bedeutet, dass wir auch unterschiedliche Themen bringen müssen, damit sich viele angesprochen fühlen und das finden, was für sie relevant und interessant ist. Aber wie gesagt, das bedeutet nicht, dass es beliebig ist. Ich finde es sehr wichtig, sich in feministischen Debatten immer wieder politisch zu positionieren und etwa zu sagen „wir sind gegen ein Kopftuch-Verbot“ oder „wir finden die PorNo-Kampagne problematisch“, auch wenn wir damit das Risiko eingehen, dass wir Leser_innen verlieren.
Siehst du Herausforderungen in der feministischen Medienproduktion?
Da gibt es tausende. (lacht) Die erste und fundamentalste ist wohl, sich selbst bei Laune zu halten und die eigenen Ressourcen so zu verwalten, dass man sich immer wieder motivieren kann und die Überzeugung nicht verliert, dass es gut und richtig ist, ein feministisches Magazin zu publizieren. Und auf der persönlichen Ebene geht es auch ganz viel um Anerkennung - bin ich damit glücklich und zufrieden und fühle ich mich Wert geschätzt, was auch gruppendynamisch wichtig ist. Dass sich die Frauen auch gegenseitig Anerkennung und Wertschätzung angedeihen lassen, damit das funktioniert. Nach außen ist die Herausforderung, neue und junge Frauen zu mobilisieren und einen Fixpunkt zu schaffen, dass das Medium auch weiterhin ein Kommunikationskanal für die sozialen Bewegungen ist, was früher ganz wichtig war. Da war ja ganz klar: Feministische Medien waren das Sprachrohr für eine feministische Szene und darüber wurde kommuniziert und die aktuellen Diskussionen wurden fortgeführt oder überhaupt erst vom Zaun gebrochen. Das ist ja heute nicht mehr so, aber ich denke schon, dass so ein Verbindungs- und Angelpunkt wichtig wäre, um Kollektivität - in welcher Form auch immer - möglich zu machen. Da muss man sich immer auch verändern und nach adäquaten Formen suchen.
Vielen Dank für das Interview!